Verschiedene Autoren benennen fünf Entwicklungsphasen, die jede Gruppe (auch eine Lerngruppe oder Klasse) durchläuft. Jede Phase hat ihre eigenen Chancen und Schwierigkeiten. Die Rolle der Lehrperson und die Leitungsintensität in diesen fünf Phasen sind unterschiedlich, auch von den Lernenden wird je nach Phase eine andere Motivation und Leistungsbereitschaft erwartet. In jeder Phase haben die Klasse und die Lehrperson unterschiedliche Aufgaben.

Wer diese Gesetzmässigkeiten kennt, stellt realistischere Erwartungen an sich selbst und an die Gruppe. Widerstand ist möglich und zu erwarten – die Leitung kann sich erlauben, in den ersten Phasen mit dem Widerstand mitzugehen, statt gegen ihn anzukämpfen.

1. Phase: Orientierung (Forming)

Merkmale

  • Gegenseitiges Beschnuppern
  • Frage nach dem angemessenen Verhalten
  • Testen der Leitung
  • Langsames Erfassen der Aufgabe

Aufgaben der Gruppe

Genügend Sicherheit finden, damit eine Arbeit am Thema möglich wird. Sich informieren und orientieren.

Aufgaben der Leitung

  • Vermitteln von Sicherheit durch Transparenz:
  • Ziele klären
  • Orientierungsrahmen geben
  • Erwartungen an die Lernenden kommunizieren
  • Kennenlernen ermöglichen
  • Distanz und Fragen zulassen

2. Phase: Positionskampf und Rolle (Storming)

Merkmale

  • Konflikte zwischen Untergruppen
  • Auflehnung gegen Leitung
  • Widerstände gegen Intimität
  • Verschiedene Rollenträger profilieren sich
  • Gruppe versucht, die Aufgabe umzustrukturieren

Aufgaben der Gruppe

Der Aufbau und das Erleben einer eigenen Gruppenidentität, des Wir-Gefühls. Konflikte und Meinungsverschiedenheiten müssen ausgehalten und ausgetragen werden, gegenseitige Akzeptanz ist die Vorbedingung dazu. Alle Mitglieder wollen integriert sein, sonst besteht die Gefahr, dass jemand den Kurs abbricht.

Aufgaben der Leitung

Konflikte ansprechen und lösen:

  • Wohlwollende Unterstützung der konstruktiven Anteile
  • Aufruhr zulassen, Positionskämpfe klären helfen
  • Eventuell Werte-Übung, Gemeinsamkeit unterstützen
  • Gegenseitige Toleranz und Zuhören fördern und fordern

3. Phase: Vertrautheit und Intimität (Norming)

Merkmale

  • Erste (ungeschriebene) Verhaltensnormen
  • Bildung von Gruppennormen
  • Bildung des Wir-Gefühls
  • Metakommunikation
  • Austausch von Gefühlen, hohe Emotionalität

Aufgaben der Gruppe

Die Klärung der Position der einzelnen Mitglieder und damit auch die Frage, wer welche Rolle übernimmt und welche Normen sich durchsetzen. Auch der Umgang mit den Menschen, die nicht zur Gruppe gehören, sollte hier festgelegt werden.

Aufgaben der Leitung

Hüterin des Themas und des Klimas gleichzeitig:

  • Reflexion des Geschehens mit der Gruppe
  • (hilfreiche!) Normen klarstellen bzw. erarbeiten
  • Beachten des Gleichgewichts Ich – Thema – Gruppe
  • Distanz wahren, nicht zu hilfreich und unersetzlich zu werden
  • Ziele nicht beliebig verändern
  • auf vermiedene Konflikte achten

4. Phase: Differenzierung (Performing)

Merkmale

  • Identifikation mit der Aufgabe
  • Gegenseitige Unterstützung
  • Arbeiten je nach Fähigkeiten
  • Rollenflexibilität
  • Positive Grundhaltung, Humor, Offenheit

Aufgaben der Gruppe

Selbst eine optimale Balance zu finden zwischen Arbeit am Thema und Fragen der Gruppenbeziehungen. Kooperationen nach innen und nach aussen gestalten.

Aufgaben der Leitung

So viel wie nötig vorgeben und so wenig wie möglich eingreifen – hier zeigt sich die Kunst des Leitens:

  • Selbstständigkeit fördern
  • Gemeinsames Handeln nach aussen (einleiten
  • Fortschritte überwachen
  • Heterogenität berücksichtigen: Jede Person nach ihren Möglichkeiten fördern und fordern

5. Phase: Trennung und Ablösung

Merkmale

  • Auswertung, Bilanz ziehen
  • Sich zufrieden geben mit dem Erreichten
  • Abschiednehmen

Aufgaben der Gruppe

Sich noch einmal klar zu werden, was von den Zielen erreicht worden ist und was nicht. Zudem gilt es, Abschied zu nehmen und Beziehungen zu lösen.

Aufgaben der Leitung

Dem Abschliessen und Abschiednehmen Raum geben:

  • Möglichkeiten zu Evaluation und Feedback bieten
  • Erfolge feiern
  • Zeit für Abschied lassen, Trennungsschmerz zulassen
  • alle ihre Wege gehen lassen

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Lesen Sie weiter im Buch Lehren kompakt I Kapitel 11 S. 186ff