Die Beschreibung von Kompetenzen und Kompetenzraster sind sehr hilfreich, um Lern- und Entwicklungsschritte zu planen und zu beurteilen. Doch obwohl der Begriff "Kompetenz" in der Bildungsdiskussion in den letzten Jahren sehr häufig auftaucht, kann kaum jemand genau sagen, was damit gemeint ist. Entsprechend unbegründet sind die vorgefassten Meinungen und es gibt sowohl die euphorischen Verfechter von Kompetenzen ("wir brauchen keine Lernziele mehr, Kompetenzen sind das einzig Richtige“) wie auch die lautstarken totalen Gegner ("wer Kompetenzen will, schafft die Wissensvermittlung und die Leistungsorientierung ab“). Deshalb im Folgenden ein paar Begriffs-Klärungen, die hoffentlich erhellend sind und etwas zur objektiveren Diskussion beitragen.

Kompetenzorientierung

Der Begriff Kompetenz wird in der Pädagogik schon seit den 70ern des letzten Jahrhunderts verwendet, mehr im Sinne der generellen Voraussetzung, Probleme zu lösen. Seit den 90ern löst er zunehmend den Begriff Qualifikation ab und wird damit verstärkt in Zusammenhang mit konkreten Anforderungssituationen und beruflichen Tätigkeiten gebracht. Von Lernzielen unterscheiden sich Kompetenzen primär durch ihre koordinierte und vernetzte Anwendung von Einzelleistungen: Eine Tätigkeit oder ein Wissensgebiet wird bei der Kompetenzorientierung nicht isoliert, sondern in konkreten Handlungssituationen gelernt. Kompetenzorierntierung beinhaltet aber auch eine starke Ausrichtung an den bereits vorhandenen Kompetenzen - sie trägt damit zur Individualisierung bei.

Kompetenzorientierter Unterricht ist dadurch gekennzeichnet, dass

  • handlungs- und anwendungsorientiert gelernt wird;
  • klar und deutlich erkennbar ist, was gelernt werden soll;
  • die Lernangebote zu grundlegenden Einsichten bei den Lernenden führen;
  • das Wissen systematisch aufgebaut und mit anderen Wissensgebieten vernetzt wird, damit es nachhaltig und anschlussfähig wird;
  • überfachliche Kompetenzen wie beispielsweise Selbstreflexion integriert werden;
  • Lernende gemäss ihrem individuellen Stand und ihren Leistungsfähigkeiten gefördert werden, damit die Lernmotivation erhalten bleibt;Lernende Lernerfahrungen machen, die über den Unterricht hinausreichen und für sie sinnstiftend sind.

In der Schweiz ist kompetenzorientierter Unterricht in der Grund- und höheren Berufsbildung weit verbreitet. Viele Berufe definieren ihre Lehrpläne nach KoRe-Modell, die von Handlungssituationen ausgehen und die zur Beherrschung solcher Situationen notwendigen Ressourcen beschreiben. In der Arbeitswelt werden sogenannte Schlüsselkompetenzen gefordert. In der Volksschule hält die Kompetenzorientierung mit dem neuen Lehrplan 21 und Lernarrangements Einzug.

Der Kompetenz-Begriff

Im EQR

Im europäischen Qualifikationsrahmen wird Kompetenz im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbständigkeit beschrieben. Kompetenzen ebenso wie Kenntnisse und Fähigkeiten werden als Ergebnis von Lernprozessen aufgefasst. "Kompetenz ist die nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie persönliche soziale und methodische Fähigkeiten in Arbeits- oder Lernsituationen und für die berufliche und/oder persönliche Entwicklung zu nutzen." (Europäische Kommission, 2008, S. 11).

Nach Le Boterf

Eines der verbreitetsten Modelle stammt von Le Boterf (1998). Er unterscheidet die drei Dimensionen

  • "savoir" bzw. "handeln ermöglichen",
  • "savoir faire" bzw. "zu handeln wissen" sowie
  • "savoir être" bzw. "handeln wollen".

Diese ineinander greifenden Fertigkeiten, Fähigkeiten, Eigenschaften oder Haltungen ermöglichen es, Anforderungen in komplexen beruflichen Situationen erfolgreich und effizient zu bewältigen.

Kurz gefasste Kompetenz-Definition nach Ruth Meyer

Eine Kompetenz (Fähigkeit) ermöglicht die Anwendung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Haltungen in einem gewohnten oder neuen Arbeitsumfeld. Sie wird einer Person aufgrund von Beobachtungen und Leistungsausweisen (Kompetenznachweisen) zugeschrieben.

Sie setzt sich zusammen aus

  • Wissen (savoir)
  • Fachkompetenz (savoir-faire) und
  • Verhalten (savoir-être).

Kennzeichnend für Kompetenz ist Zielorientierung, Selbstständigkeit, Ergreifen von Initiative, Übernahme von Verantwortung, Einbeziehen des Beziehungs- oder Kooperationsumfeldes sowie ein reflektierter Umgang mit den verwendeten Mitteln.

Ressourcen

Nach Kadishi (2001) werden unter Ressourcen begriffliches und fachliches Wissen, Prozesse, Fertigkeiten, Können, operationelle und kognitive Fähigkeiten, Beziehungsfähigkeiten, Einstellungen und Haltungen verstanden. Diese Ressourcen ermöglichen den Aufbau einer Kompetenz für eine bestimmte Aufgabe, sie können geschult und gefördert werden. Die berufliche Ausbildung hat zum Ziel, solche Ressourcen zu entwickeln und die Auszubildenden zu befähigen, sie in Kombination zu nutzen.

Eine Definition von "Ressourcen" findet sich ebenfalls im Schlussbericht zur Beruflichen Weiterbildung im Baukastensystem (S. 107): "Darunter werden begriffliches und fachliches Wissen, Prozesse, Fertigkeiten, Können, operationelle und kognitive Fähigkeiten, Beziehungsfähigkeiten, Einstellungen und Haltungen verstanden. Diese Ressourcen ermöglichen erst den Aufbau einer Kompetenz für eine bestimmte Aufgabe. Die Ausbildung hat zum Ziel, solche Ressourcen zu entwickeln und die Auszubildenden zu befähigen, sie in Kombination zu nutzen."

Kenntnisse

sind "...das Ergebnis der Verarbeitung von Information durch Lernen. Kenntnisse bezeichnen die Gesamtheit der Fakten, Grundsätze, Theorien und Praxis in einem Arbeits- oder Lernbereich" (Europäische Gemeinschaften, 2008, S. 11). Sie stellen damit das anlassbezogene Theorien- und Faktenwissen dar.

Fertigkeiten

sind „...die Fähigkeit, Kenntnisse anzuwenden und Know-how einzusetzen, um Aufgaben auszuführen und Probleme zu lösen“ (Europäische Gemeinschaften, 2008, S. 11). Fertigkeiten beziehen sich dabei auf kognitive und praktische Aspekte.

Kompetenzen in der Berufsbildung

Für die Berufsbildung konkretisiert könnten Kompetenzen folgendermassen umschrieben werden (Kadishi, 2001 und Le Boterf, 1998):

  • Kompetenzen sind eine Mischung aus Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft
  • Kompetenzen sind Kombinationen von Ressourcen, die eingesetzt werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen
  • Zu einer Kompetenz gehören sowohl Problemlösungswissen wie angewandtes Wissen
  • Kompetenz ist immer an eine Tätigkeit gebunden
  • Eine Kompetenz ist situationsabhängig und auf ein Individuum bezogen
  • Kompetenz zeigt sich in einem bestimmten Kontext und ist somit zweckgerichtet
  • Eine Kompetenz entwickelt sich interaktiv im sozialen Feld

Kompetenzen in Beruf und Arbeitsmarkt

Kadishi (2001, S. 57) bezeichnet als für die Berufsausübung relevante Schlüsselkompetenzen unter anderem Teamfähigkeit, Flexibilität, Lernfähigkeit, Kreativität, Verantwortung und Belastbarkeit. Dies sind Kompetenzen, wie sie Arbeitgeber häufig von Stellenbewerbern fordern. Während diese Auswahl weniger theoretisch begründet erscheint, ist Erpenbeck (2009, S. 30) der Ansicht, dass 64 aus den Schlüsselkompetenzen (Personale Kompetenz, Aktivitäts- und Handlungskompetenz, Sozialkommunikative Kompetenz sowie Fach- und Methodenkompetenz) abgeleitete Kompetenzen einen hinreichenden Raster ergeben, um Kompetenzen zu messen, zu erfassen und systematisch zu ordnen.

Schlüsselkompetenzen im Arbeitsmarkt

Meyer (2009, S. 14) formuliert acht Schlüsselkompetenzen für den Arbeitsmarkt:

  • Teamfähigkeit
  • Personale Kompetenz
  • Kommunikation
  • Selbstmanagement
  • Problemlösefähigkeit
  • Flexibilität
  • Reflexionsfähigkeit
  • Lernkompetenz

Verwandte Beiträge und weiterführende Links

Im Buch «Soft Skills fördern - Strukturiert Persönlichkeit entwickeln» werden 30 Soft Skills in Kompetenzrastern beschrieben und Tipps gegeben, wie man sie bei Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und bei sich selbst fördern kann.

Im Buch «Lebenskompetenzen erweitern - Ein didaktisches Modell»» werden sechs Lernphasen und sieben Elemente für ein aufbauendes Entwicklungsklima anhand von Beispielen vorgestellt.

Lesen Sie den Blogbeitrag zur Kompetenzorientierung auf dem wb-web.de: Kompetenzorientierter Unterricht – revolutionär oder altmodisch?

In der Schweiz hat Andreas Müller mit der Entwicklung von Kompetenzrastern einen Meilenstein gesetzt. Sehen Sie hier seine Ausführungen.

Ausserdem hat Hans Furrer mit seinem Berner Modell die Umsetzung von Kompetenzorientierung mit Beispielen sichtbar gemacht. Er hat damit ein sehr hilfreiches Planungsmodell für kompetenzorientierte Bildung geschaffen.

Kompetenzraster

Kompetenzstufen nach Dreifus

Kompetenzanbahnung

Lehrpläne nach Ko-Re-Modell

Jugendliche kompetenzorientiert unterrichten

Methoden

Kompetenzen oder Soft Skills?

 

Literatur

Erpenbeck, J. & Von Rosenstiel, L. (Hrsg.) (2007). Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Europäische Kommission (2008). Der europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. Europäische Gemeinschaften. Luxemburg: Selbstverlag.

Kadishi, B. (2001). Schlüsselkompetenzen wirksam erfassen – Personalselektion ohne Diskriminierung. Altstätten: Tobler.

Le Boterf, G. (1998). Évaluer les compétences. Quels jugements? Quels critères? Quelles instances?in: Education permanente no. 135/1998-2. (S. 143-151). Zürich: SVEB.

Donat, M. (1991) Selbstbeurteilung. In: Schuler, H.(Hrsg.) Beurteilung und Förderung beruflicher Leistung(S. 135 – 145). Göttingen: Hogrefe.